Information 19. April 2021

KIBIS NF / Corona in Nordfriesland - SHZ am 19.04.2021

Mehr als 1.500 Selbsthilfegruppen gibt es in Schleswig-Holstein. Alleine in Nordfriesland sind es mehr als 130. Dass die Gruppentreffen seit Beginn der Pandemie gestrichen sind, trifft daher sehr viele Menschen.

Frisch Erkrankte trifft es hart
Doch wer nun meint, das hätte die Betroffenen in eine zusätzliche Krise gestürzt, der irrt zumindest dort, wo die Gruppen schon lange bestehen. Denn die haben ihre eigenen Mittel und Wege gefunden, sich nicht aus den Augen zu verlieren. Richtig hart trifft es jene, die frisch erkranken oder aus anderen Gründen Anschluss an eine Selbsthilfegruppe suchen. Sie haben derzeit kaum eine Chance, neu einzusteigen, um Rat, Trost und Unterstützung zu bekommen.
Angelika Weinert von KIBIS, der nordfriesischen Anlaufstelle für Selbsthilfe, weiß, warum die Arbeit in den Gruppen trotz aller Einschränkungen gut funktioniert: „In Selbsthilfegruppen sind Menschen, die gelernt haben, Krisen bewusst zu bewältigen“, sagt sie. Dazu zählt auch die Fähigkeit, schwierige Situationen auszuhalten, sich neu zu sortieren und nach anderen Möglichkeiten zu suchen.

Treffen im Park und Chatgruppen

Um sich treffen zu können, hätten einige Gruppen ganz ungewöhnliche Orte gewählt: „Es gibt Treffen im Park, Wanderungen, Telefonpatenschaften und Chatgruppen. Einige Gruppen haben eine eigene Website auf den Weg gebracht, machen so Werbung in eigener Sache“, erzählt sie. Für einen wachsenden Personenkreis biete die Nutzung von Videokonferenzen gute Chancen, im Kontakt zu bleiben – insbesondere bei eingeschränkter Mobilität.

Treffen in Präsenz sind nicht ersetzbar

"Dass all das die Treffen in Präsenz nicht ersetzen kann, darin sind wir uns einig", sagen stellvertretend für viele andere Gruppenleiter Ulrich Klier und Günter Klose aus Husum sowie Ursel Steffens aus Leck. Ulrich Klier leitet seit 25 Jahren den Gesprächskreis Deichgraf für Suchtkranke und Angehörige mit Schwerpunkt Alkohol. Normalerweise trifft sich seine Gruppe jeden Dienstagabend in der Friedenskirche. „Das Gute ist, dass wir zu Beginn der Pandemie keine ´Wackelkandidaten´ unter uns hatten, so dass alle relativ gefestigt sind. Wir sind per WhatsApp miteinander im Kontakt und tauschen darüber auch Fotos aus. Das hilft sehr in dieser schwierigen Zeit“, so seine Erfahrung.

Erkrankte werden zu Experten

Er gehört auch einer Prostataselbsthilfegruppe an, in der sich die Mitglieder bezüglich der notwendigen Therapien und Operationen gegenseitig stützen, indem sie offen erzählen, wie es bei ihnen war. „Denn wer so eine Krankheit mitmacht, wird selbst zum Experten auf dem Gebiet und kann so allen Betroffenen viel Mut machen“, sagt Ulrich Klier. Er sieht das größte Problem darin, dass Männer mit einer frischen Prostata-Diagnose aktuell keine Anlaufstelle haben und mit ihrem Kummer alleine fertigwerden müssen.

Schlaflabor in Corona-Zeiten

Günter Klose organisiert in den Räumen der Husumer Werkstätten regelmäßig Treffen für Menschen mit Schlafapnoe. Jetzt versorgt er seine Schützlinge per Mail mit Infos und steht ihnen am Telefon zur Verfügung: „Die häufigste Frage ist derzeit, wo es ein gutes Schlaflabor gibt, das auch in Corona-Zeiten geöffnet ist“, erzählt er. Manchmal trägt er schwer an der Sorge, ob seine mehr als 60 Gruppenmitglieder gut durch die Pandemie kommen. Letztendlich handelt es sich bei der Schlafapnoe um eine lebensbedrohliche Diagnose. „Das letzte Mal haben wir uns im Januar 2020 live gesehen – das ist schon viel zu lange her“, sagt er.

Angehörige rufen unter Tränen an

Die Parkinsongruppe von Ursel Steffens traf sich vor dem Lockdown montags um 9 Uhr im DRK-Haus in Leck. Neben Gesprächen über alltägliche Dinge und die Tücken der Krankheit, die erst langsam und dann schnell voran schreitet, gab es auch eine Bewegungstherapie. Nach 37 Jahren weiß Ursel Steffens, wie dramatisch sich der Verzicht auf Bewegung auf den Krankheitsverlauf auswirken kann. „Alle drei Wochen rufe ich meine Leute an und frage, wie es ihnen geht. Die meisten sagen dann, es gehe ihnen gut, denn sie wollen nicht klagen und jammern. Nicht selten sind es dann ihre Angehörigen, die zurückrufen und unter Tränen gestehen, dass nicht alles gut ist“, erzählt sie bedrückt.
Um aktiv zu bleiben, geht sie drei Mal am Tag raus: „Gestern bin ich insgesamt 16,8 Kilometer durch den Koog gelaufen – das hat wahnsinnig gut getan“, sagt sie und rät deshalb auch ihren Gruppenmitgliedern immer wieder, sich auf den Weg zu machen, aktiv zu sein. „Das geht auch mit Gehhilfe oder Rollator“, so Ursel Steffens. Sie hofft sehr, dass sie bald wieder in Präsenz loslegen kann, denn die meisten in ihrer Gruppe sind älter und nicht so technik-affin: „Für uns sind die persönlichen Treffen deshalb unverzichtbar.“

Für Nachfragen zu den Selbsthilfegruppen-Treffen in Nordfriesland: www.kibis-nf.de, Telefon 04841/800777.